70 Jahre Banntag – Ettingen wandert und feiert
05.06.2025 Ettingen
Der Ettinger Banntag fand dieses Jahr zum 70. Mal statt und der Musikverein Ettingen wird 100 Jahre alt. Schönes Wetter und angenehme Temperaturen lockten wieder Hunderte an.
Kurz vor 10 Uhr füllt sich die Kirchgasse zügig mit Wanderlustigen: Walking Sticks, Wanderschuhe und multifunktionale Rucksäcke, wohin man schaut. Die Kirchenglocken rufen zum Auffahrtsgottesdienst. Kinder turnen am Geländer vor dem Gemeindehaus, sie wickeln sich kunstvoll ins unten geschwungene Geländer oder turnen auf dem Brunnenrand vor der Treppe herum. Von verschiedenen Seiten strömen immer mehr Menschen herbei. Nach einigen Worten von Gemeindepräsidentin Sibylle Muntwiler-Stöcklin und Bürgergemeindepräsident Felix Thüring setzt sich der Zug in Bewegung. Den Banntag (früher: «Bannumgang») gab es in Ettingen übrigens schon bis ins 18. Jahrhundert. Dann wurde er von einer Auffahrtsprozession ersetzt, bis die Bürgergemeindeversammlung 1955 beschloss, den Banntag in alter Form wieder einzuführen. Es entwickelte sich ein Dorf- und Familienfest daraus.
Verschiedene Wanderrouten
Die meisten Leute setzen sich auf Route 1 in Richtung Pfaffenholz, Schaien, Stapflenreben, Chirsgärten, Felsentorweg und Chänelbodenweg in Bewegung. Es gibt aber auch eine «Kinderwagen-Route», die direkt zur Blockhütte führt. Das gesellige Zusammensein und Wiedersehen mit Bekannten und Familie steht bei vielen zuoberst auf der Liste der Gründe, warum sie seit Jahren und teilweise seit Jahrzehnten hierherkommen. Es ist ein grosses Wiedersehen, Hände werden geschüttelt und alte Bekanntschaften aufgefrischt – und Familien- und Arbeitsthemen bzw. Ferienpläne ausgetauscht. Schon ganz am Anfang nehmen Gruppen von Kindern und Jugendlichen Abkürzungen zwischen den Feldern hindurch. Man hört sie blödeln und klatschen, als sie zur langsameren Hauptgruppe schauen, die den weiteren Weg genommen hat.
Grenzsteine und «Apéro»-Schilder
Beim Chirsgartenhof ertönen erste «Wie weit ist es noch?»-Rufe, pädagogisch gekonnt pariert mit «Siehst du den Stein dort? Ab dort geht es fast nur noch abwärts.» Apropos Steine. Die Grenzsteine, um die sich ja am Banntag alles dreht, gehen fast ein bisschen unter. Zum Glück steht ein hölzernes Banntag-Wegweiserschild direkt neben einem der Steine aus dem Jahr 1706. Verwittert und von Moos überwachsen, wäre er einem sonst glatt entgangen. Andere, jüngere Steine stehen dafür unübersehbar am Wegrand. Psychologisch geschickt platziert wurden übrigens die «Apéro»-Schilder – manches «Wie weit ist es noch?»-Quengeln liess sich mit einem Hinweis auf sie aus der Welt schaffen.
Steil den Blauen rauf
Das Wetter ist perfekt, es ist angenehm warm. Wenn nur der Waldboden nicht so weich und rutschig wäre. Der Regen der vergangenen Tage lässt grüssen. Als es steil den Blauen hinauf in den Wald geht, schmatzt der Schlamm nur so unter den Schuhen. Im engen Felsentorweg häufen sich Beispiele von Galgenhumor: «Wir laufen so dicht hintereinander, das Gute ist: Du kannst nicht fallen!» – Von ein paar Meter weiter hinten kommt die Antwort: «Oder wenn, dann spielen wir Domino und du landest weich.» Kurzes Lachen, dann herrscht wieder konzentrierte Wanderstille.
Apéro im Wald
Auf halber Strecke richtet die Bürgergemeinde den versprochenen Apéro aus. Es gibt Brot, Chips, Walnüsse und Tee, aber auch Pflümli. Die Bürgergemeinde verschenkt ausserdem ausfahrbare Teleskopstangen mit spitzigen Zacken zum Grillieren der Würste, die bei der Mittagsrast wichtig sein werden. Ein Vertreter vom Musikverein kündigt geheimnisvoll eine Weltpremiere um 15 Uhr bei der Blockhütte an. Erst auf hartnäckige BiBo-Nachfrage rückt er raus: Der Musikverein hat zur Feier seines 100. Geburtstags ein Arrangement des «Guggerlieds» in Auftrag gegeben. Es wird am Nachmittag uraufgeführt: «Mi Dorf, das lit am Blaue, / s chönnt gar nit schöner si / igraamt vo Wald und Aue».
Mittagsrast mit Teleskopstangen
Beim Rastplatz im oberen Berg versorgt die Männerriege Ettingen die Hungrigen und Durstigen mit Wurst, Brot und Getränken. Sofort werden überall Feuer gemacht. Die eine oder andere pyromanische Ader wird so gründlich ausgelebt, dass ans Grillieren noch lange nicht zu denken ist, ausfahrbare Teleskopstangen hin oder her. Nach der Stärkung folgt der individuelle Abstieg zur Blockhütte, wo die Männerriege Ettingen auch dieses Jahr wieder eine Festwirtschaft aufgestellt hat und der Musikverein Ettingen aufspielen wird.
Gregor Szyndler