Advent, Advent, der -minu liest
11.12.2025 Therwil-minu las am zweiten Advent in der Aula Känelmatt aus seinem neuen Buch «Schliesslich ist Heiligabend». Seine Geschichten berührten und amüsierten und die Zeit verging wie im Flug.
Ein paar Schritte abseits von der Bühne sitzt -minu vor der Lesung auf einem Stuhl, lässt den Blick übers Publikum schweifen und plaudert mit allen, die ihn begrüssen kommen. Auf seinen Puls so kurz vor der Lesung angesprochen, bleibt er die Ruhe selbst: «Ich bin gar nicht nervös. Das ist meine insgesamt vierzehnte Lesung aus dem neuen Buch. Ich bin 78 und ausserdem fahren Innocent und ich morgen wieder nach Italien. Also nein, ich bin wirklich nicht nervös.» Bald darauf begrüsst Marietta Bolis von der Gemeinde- und Schulbibliothek Therwil die Anwesenden: «Schon zum fünften Mal liest -minu für uns. Seine Lesungen gehören zur Adventszeit wie ‹Der kleine Lord› oder ‹Drei Haselnüsse für Aschenbrödel›.»
Erinnerungen in Seidenpapier
Nun betritt -minu die leicht erhöhte Bühne, macht einen kurzen Mikrofontest und legt los: «Ich war schon von den Socken, als ich letztes Jahr keine Anfrage für diese Lesung bekam. Hatte ich etwas falsch gemacht? Hatte ich beim letzten Mal in der Nase gebohrt, oder sind solche Lesungen nur für U80?» Mit seiner lockeren Art und seiner Freude am Wortspiel hat er die Besucherinnen und Besucher sofort im Griff. Der Übergang zwischen seiner Moderation und der ersten Geschichte ist so fliessend, dass man es fast nicht merkt: Sie handelt vom «glitzerigen Glimmereinhorn», das sich der Sohn einer Familie als Kind unbedingt gewünscht hatte. Nachdem er schon lange mit seinem Mann in die USA gezogen ist, soll das Einhorn jetzt ein anderes Kind glücklich machen. Überhaupt ist Weihnachten nicht mehr wie früher – nur das Fondue Chinoise ist geblieben. «Ohne Kugeln ist der Weihnachtsbaum für die Sau – unsere Erinnerungen sind in Seidenpapier besser verpackt als ein Fotoalbum auf Facebook.» Solche Formulierungen führen immer wieder zu Lachen aus dem Publikum. Dasselbe gilt für die Geschichte von «Omama, das war eine rechte Giftschleuder, alle haben immer einen Bogen um sie gemacht – sie war eine Zündschnur». Abermals ist es schwer zu sagen, ob er noch seine nächste Geschichte anmoderiert oder schon am Erzählen ist. Und bei Passagen wie jener, an der Omama den ihr missliebigen Schwiegersohn wegwedelt «wie ein Kuhschwanz die Fliegen», prustet das Publikum.
Sieben Jahre dasselbe Buch lesen
Die Tragik und das Komische liegen bei -minus Texten nahe beieinander. Das gilt besonders für die letzte Geschichte, die Einblick in die mehr als fünfzig Jahrelange Beziehung von -minu und seinem Ehemann Innocent gibt. «Er hat sich die vergangenen Jahre mehr und mehr aus dem Leben geschlichen» und lebt wegen seiner Demenz nur noch im Damals. Die Ärzte gaben ihm nach der Krebsdiagnose noch zwei Jahre: «Vor elf Jahren!» Eben noch sieht man die beiden vor seinen inneren Augen synchron heulend auf dem Sofa sitzen und «Der kleine Lord» schauen, und dann hat man auch schon wieder einen Kloss im Hals, als es von seiner demenzkranken Lebensliebe heisst: «Er liest seit sieben Jahren dasselbe Buch von Agatha Christie.» Da fragt man sich beim Zuhören: Was ist hier Fakt, was Fiktion? -minu kennt diese Neugier: «Meistens werde ich gefragt, ob diese Personen wie Innocent (…), auch wirklich existieren würden und so sind, wie ich sie beschreibe», schreibt er auf seiner Homepage. «SIE EXISTIEREN», fährt er in Grossbuchstaben fort, nur um sogleich hinzuzufügen: «Und sie sind meistens noch schlimmer.»
Viele treue Fans
Die Lesung vergeht wie im Flug. Wenn er seine Finger auf einem Wassertellerchen annetzt, um im Manuskript weiterzublättern, ist es so still, dass man eine Stecknadel fallen hört – obwohl die Aularestlos ausverkauft ist. Die Lesung endet mit einem herzlichen, langen Applaus. Höchste Zeit für eine Umfrage im Publikum. Mehrere Befragte betonen, dass sie hier seien, um -minu seine Geschichten auf Mundart vortragen zu hören. «Das ist ein ganz anderes Erlebnis, als wenn man sie liest», so ein Lesungsbesucher. Doris Kirmess, die Präsidentin des
Bottminger «Xang & Fun»-Chor, gibt sich als Fan zu erkennen: «Ich gehe an alle seine Lesungen, wann immer ich kann. Wir hatten 2019 sogar ein gemeinsames Konzert, an dem er las und wir sangen.» Spricht's und verschwindet auch schon vor der Aula, um sich das Buch signieren zu lassen.
Gregor Szyndler
-minu: «Schliesslich ist Heiligabend –
Ein Geschenkkorb voll funkelnder Weihnachtsgeschichten» 152 S., Fr. 24.80
Friedrich Reinhardt Verlag, Basel


