Den Allerheiligen-Blues wegjazzen
06.11.2025 BottmingenGeorge Riccis Sons of Gumbo heizten am Halloweenabend dem Burggartenkeller ein. Das virtuose Sextett machte es dem Publikum nicht einfach, ruhig sitzen zu bleiben.
Auf dem Weg in den Burggartenkeller waren die Strassen voll von Skeletten, Geistern und Gespenstern. Kinder tollten mit Totenkopfgesichtern durch die Nacht und der Satz «Süsses oder Saures» lag in der Luft. Zusammen mit dem seit der Zeitumstellung viel zu frühen Eindunkeln, der ersten Sichtung von Zimtsternen im Grossverteiler und dem Gedanken an liebe Verstorbene machte sich Blues breit. Der perfekte Abend, um George Riccis Sons of Gumbo zu hören. Bandleader George Ricci stammt aus London und lebt seit Jahrzehnten am Andreasplatz. Einen Namen gemacht hat er sich u. a. als Künstler und Jazzklarinettist: «Ich spiele gerne im Burggartenkeller», freute er sich vor dem Konzert. «Hier herrscht eine sehr angenehme Atmosphäre und die Leute kommen wegen der Musik.»
Alles in einen Topf geworfen
Ein Gumbo ist ein typischer Eintopf aus der kreolischen Küche in Louisiana, im Süden der USA. Er vereint Einflüsse aus der Native-American-Küche mit solchen aus Afrika und Europa. «Beim Gumbo wirft man alle Zutaten in einen grossen Topf, genau wie im Jazz», so Ricci. «Selbst gegessen habe ich es aber noch nie, ich war auch noch nie in New Orleans», lachte er. Während ein Gumbo auf der Basis von gebräuntem Mehl aufbaut, sind es bei George Riccis Sons of Gumbo Piano (Daniel Breitenstein), Bass (Dominik Schürmann) und Schlagzeug (Samuel Dühsler), die alles zusammenhalten. Ebenfalls mit von der Partie sind John Service (Posaune), Zarek Silberschmidt (Banjo) und George Ricci an der Klarinette. Die Band lockte 40 Personen in den Burggartenkeller. «Wir haben 30 Tickets im Vorfeld verkauft», berichtete Peter Marbet. «Hinzu kommen noch einige direkt an der Abendkasse.» Für Marbet ist es der letzte Abend als Vereinspräsident des Burggartenkellers. Lukas Keller tritt an der November-GV seine Nachfolge an.
Mittendrin von Sekunde 1 an
Nachdem das Sextett auf der Bühne stand, ging es direkt ans Eingemachte – das Publikum fand sich gleich mit dem ersten Schlag mittendrin im musikalischen Kochkessel. Was für ein Unterschied zum namensgebenden Gumbo! Der köchelt stundenlang vor sich hin, damit sich die Zutaten ideal verbinden. Bei Riccis Gumbo ging das etwas schneller und man wusste man von Sekunde 1 an, woran man ist: Mittendrin in einer musikalischen Huldigung einer Jazzepoche, die vor 100 Jahren ihren Höhepunkt hatte. Die Band strahlte extra viel Spielfreude und Energie aus und brauchte keine Mikrofone, um den Burggartenkeller zu beschallen.
Reihenweise begeisternde Solos
Immer wieder lud Ricci seine Musiker zu Solos ein. Was Duehsler aus dem Schlagzeug rausholte, grenzte zwischen ohrenbetäubend lauter Bassdrum und den seltsamen Klängen seines Beckens an Voodoo. Das traf auch auf die Trombone von John Service zu, die plötzlich wie ein Didgeridoo klang – launige Töne, bei denen staunendes Lachen im Publikum zu hören war. Von den Solos von Klarinette, Bass, Banjo und Klavier ist damit noch kein Wort gesprochen – das Publikum war begeistert. Manchmal staunte auch die Band über gewisse Solos.
Running Gag: Puccini
Für Humor sorgte Ricci mit seinen Ansagen, etwa mit seinem hartnäckig wiederholten Zwischenruf «Puccini». Damit machte er darauf aufmerksam, dass der New-Orleans-Jazz sich nicht ausschliesslich an Blues und Spirituals, sondern auch an Opern bediente, etwa an Giacomo Puccini. Ausserdem gab es zwischen den Nummern Wissenswertes über die Musik zu erfahren. Von «Struttin with some Barbecue» etwa berichtete Ricci, dass viele Leute aus der Namensangabe «L. Armstrong», die unter der Komposition des Stücks steht, und der Tatsache, dass es von Louis Armstrong erstmals eingespielt wurde, den falschen Schluss ziehen: «Dabei steht das L. Armstrong nicht für Louis, sondern für seine Frau Lilian.»
Zeit verging im Flug
Das Ensemble sprühte vor Spielfreude und erntete immer wieder begeisterten Applaus. Sie machten es den Anwesenden nicht einfach, ruhig sitzen zu bleiben. Zu hören gab es eine Menge von dem, was auf dem Gumbo-Album «All the things you ate …» («Du bist, was du isst …») zu finden ist. Die Zeit verging an diesem letzten Oktoberabend wie im Flug. Der Allerheiligen-Blues war nach dem Konzert restlos weggejazzt.
Gregor Szyndler

