BUCHPRÄSENTATION
Eine fatale Begegnung in Dänemark
28.08.2025
Regio
Ein Schweizer schliesst sich der SS an und ermordet 1944 einen dänischen Pfarrer: Eine wahre Geschichte, die es nun zum Nachlesen gibt.
Er war kein einfaches Kind, bereitete in der Schule Schwierigkeiten, wurde oft frech. Später schwänzte er das Militär, arbeitete für die Deutsche Reichsbahn, stellte in seinem Wohnzimmer eine Hitlerbüste auf, schloss sich – als Schweizer – freiwillig der SS an. In dieser Funktion ermordete er 1944 in Dänemark einen Pfarrer. Es war eine der vielen Vergeltungstaten, die die Nationalsozialisten wegen des dänischen Widerstands im Zweiten Weltkrieg angeordnet hatten.
Dieser Mord, den Louis Nebel an Kaj Munk beging, aber auch das Leben der beiden steht im Zentrum des neuen Buches von Gregor Saladin «Der Dichter und sein Henker», das kürzlich im Friedrich Reinhardt Verlag erschienen ist und am Mittwoch vergangener Woche im Heimatmuseum Schwarzbubenland in Dornach Buchpräsentation feierte. Die Wahl des Orts war übrigens kein Zufall: Zum einen hat sich die Frontenbewegung – die Parallelbewegung der Schweiz zum National sozialismus in Deutschland – immer wieder in Dornach getroffen, möglicherweise zusammen mit Louis Nebel. Dieser hatte seine Wurzeln im Schwarzbubenland. Genauso wie auch Gregor Saladin.
Verblüffende Feststellung
Anlass, in die Geschichte einzutauchen, habe vor Jahren ein Artikel in der «Neuen Zürcher Zeitung» gegeben, erklärte der Autor seinem rund 70-köpfigen Publikum. «Zwei Hinweise haben mich besonders hellhörig gemacht: dass Louis der Sohn eines Solothurner Bauers war und dass sein Nachname ‹Nebel› war.» Saladin erinnerte sich, dass auch seine Grosstante so hiess. Er recherchierte – und fand heraus, dass Louis Nebel, der Täter, sein angeheirateter Grossonkel gewesen war.
«Man könnte meinen, das sei alles nicht wahr», hatte Hans Voegtli, Präsident des Stiftungsrats des Heimatmuseums für das Schwarzbubenland, einleitend kommentiert. Doch das ist es. Das Buch von Gregor Saladin – ein Tatsachenroman – basiert nämlich auf einer wahren Geschichte; nur wenige Lücken mussten freihändig gefüllt werden. Als Grundlage dienten unter anderem Recherchen in Archiven, Büchern, Zeitungen und im Internet.
Widerstand mit Folgen
Auf lebhafte Art und Weise und ohne zu viel von den interessanten Details zu verraten, skizzierte Gregor Saladin an der Vernissage die Charaktere zweier so unterschiedlicher Personen, deren Wege sich am Abend des 4. Januars 1944 auf tragische Art und Weise kreuzten. Dies gar nicht zufällig: Kaj Munk, Pastor und Dichter, leistete in Dänemark Widerstand gegen die Deutschen, setzte sich für die Rettung von Juden ein – und scheute sich nicht davor, dies an seinen Predigten auch öffentlich kundzutun. Die Aufführung seiner Stücke war in den Theatern bereits untersagt. Ende 1943 trat er in der Kirche in Kopenhagen auf – trotz des ausdrücklichen Verbots der Nationalsozialisten – und predigte gegen die Verfolgung von Juden und politischen Gegnern.
Munk wusste, dass er damit eine Grenze überschritten hatte. «Es kann geschehen, dass sie uns aus dem Schlaf reissen und uns einen Revolver an die Schläfen halten», sagte er noch während seines letzten Gottesdiensts Anfang 1944 in Vedersø. Nur drei Tage später wurde er ermordet.
Der Prozess gegen Louis Nebel fand erst nach Kriegsende statt. Wie es anschliessend mit ihm, aber auch der Familie von Kaj Munk weiterging, schildert Gregor Saladin ebenfalls – doch dazu sei an dieser Stelle nicht mehr verraten. Mit einer Signierstunde, einem Apéro und vertiefenden Gesprächen schloss die Buchpräsentation, das zwar eine tragische Geschichte nacherzählt, aber absolut lesenswert ist.
Nathalie Reichel