Gang nach Canossa

  26.06.2025 Ettingen

Die Ettinger Gemeindeversammlung gipfelt im Rücktritt von Andreas Stöcklin.

Obwohl die Sonne am Untergehen ist, liegen die Temperaturen immer noch entlang der 30-Grad-Grenze. Entsprechend sommerlich gekleidet sind die Menschen, die am vergangenen Donnerstagabend in die Aula «Hintere Matten» kommen. Einige von ihnen haben Fächer dabei, um sich während der Einwohnergemeindeversammlung ein wenig abzukühlen.

Diese beginnt wie gewohnt mit der Begrüssung von Sibylle Muntwiler. Die Gemeindepräsidentin bemerkt angesichts der jüngsten Entwicklungen in anderen Teilen der Welt, wie schön so eine Gemeindeversammlung eigentlich ist. «In vielen anderen Ländern wären die Menschen froh, wenn sie so wie hier mitreden könnten.»

Selbstanzeige beim Regierungsrat
Dann geht das Wort an Dieter Baumann. Der Präsident der Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission hält schon zu Beginn fest, dass den Leuten zwei der drei Themen, nämlich die Updates zu den Bauabrechnungen «Neuer kommunaler Werkhof» und «Neubau Sportanlagen Toggessenmatten» ziemlich bekannt vorkommen dürften. Beide sind bedeutend teurer als geplant ausgefallen. «Meistens gibt es gute Gründe, wenn etwas teurer ist. Man muss aber dokumentieren, warum.»

Zu den Dingen, die bei den Leuten in der Aula für Stirnrunzeln sorgen, zählt beispielsweise die Tatsache, dass die 330‘000 Franken, die für den Baugrubenaushub bewilligt worden sind, deshalb auf 353‘000 Franken angestiegen waren, weil die Vergabe nach Ablauf der Offertengültigkeit erfolgte und die Preise für die Abladegebühren in der Zwischenzeit erhöht worden waren. «Unsere Empfehlungen lauten, dass die Offerteneingabe lang genug gültig sein sollte. Und wenn man bemerkt, dass der Kredit nicht langt, sollte man sofort handeln», so Baumann.

Für die entstandenen Mehrkosten in beiden Fällen hat der Gemeinderat den «Gang nach Canossa» (Baumann) angetreten und beim Regierungsrat Selbstanzeige erstattet. Dieser muss nun entscheiden, ob es sich um schwerwiegende Pflichtverletzung handelt. Dabei muss der Regierungsrat berücksichtigen, ob der Gemeinderat wusste, dass es Mehrkosten geben wird, ob der Betrag der Mehrkosten messbar war und ob es der Gemeinderat willentlich unterlassen hat, einen Nachtragskredit zu beantragen. «Punkt 1 und 3 sind nicht wegzudiskutieren, über Punkt 2 kann man sich streiten», erklärte der GPK-Präsident.

Deutlich erfreulicher hingegen waren die Bauabrechnungen zum Velounterstand und zum Bahnweg. Beide schliessen mit einer Unterschreitung gegenüber dem genehmigten Investitionskredit ab.

«Wir vom Gemeinderat stellen uns der Verantwortung, deshalb die Selbstanzeige», sagte Sibylle Muntwiler im Anschluss. «Wir sind daran interessiert, das verlorene Vertrauen wieder aufzubauen.»

Über 100 Sparideen
Von Thomas Aegerter wurde danach die Rechnung 2024 präsentiert. Der für die Finanzen zuständige Gemeinderat informierte unter anderem darüber, dass man in sieben der zehn Bereiche unter dem Budget geblieben ist. Weil ein grosser Betrag des Eigenkapitals gebunden ist, bestehe aber trotzdem «dringend Handlungsbedarf», so Aegerter. Momentan gebe es über 100 Ideen, wie und wo man etwas einsparen kann. Diese werden nun geprüft und priorisiert. Sollten sie nicht den gewünschten Erfolg bringen, «kommen wir nicht drum herum, um über Steuererhöhungen zu diskutieren».

Die beiden nächsten Punkte auf der Traktandenliste werden beide von Andreas Stöcklin präsentiert, es sind dies die Nachtragskredite zum Neubau des Werkhofs und der Sportanlage Toggessenmatten. Der Gemeinderat nennt mehrere Faktoren – von der Gebührenerhöhung für die Aushubentsorgung bis hin zur massiven Steigerung der Stahlpreise –, welche die Kostenüberschreitung verursacht haben. «Dennoch fällt das in meine Verantwortung. Aus diesem Grund werde ich Ende nächster Woche (dieser Woche, die Red.) zurücktreten.»

Während der Nachtragskredit 2 zur «Sondervorlage Neubau Werkhof» angenommen wird, lehnen die anwesenden Abstimmungsberechtigten den Antrag des Gemeinderats, die Neuauflage des Nachtragskredits zur «Sondervorlage Neubau Sportanlagen Toggessenmatten», ab.

Die anschliessenden Fragen der Leute sind hauptsichtlich Kritikpunkte. «Mir fehlt ein Projektleiter», «Das war Larifari!» und «Wurden überhaupt Referenzen der Firmen eingeholt?» lauten drei davon. Zwar wird in der Folge noch der Teilrevision des Verwaltungs- und Organisationsreglements und der Folgeanpassung des Abfall-Reglements mit grossem Mehr zugestimmt, doch das grosse Thema bleiben die überschrittenen Kredite. Ein Mann möchte Andreas Stöcklin vom Rücktritt abhalten («Er hat auch viel Gutes für Ettingen geleistet!») – vergeblich. «Ich habe mir das gut überlegt», versichert der abtretende Gemeinderat.

Für Sibylle Muntwiler ist Stöcklins Abgang nicht einfach: «Ich bedaure seinen Austritt sehr, denn es war nicht seine Schuld, sondern die Schuld des ganzen Gemeinderats.»

Alan Heckel


Image Title

1/10


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote