Kreativ gegen das Januarloch

  23.01.2025

Liebe Leserinnen und Leser
Ich geb’s gerne zu: Der Januar ist nicht gerade mein Monat. Das liegt schon daran, dass ich mich kaum bewegen kann – was aber weniger an den über die Festtage zugelegten Kilos liegt als an den gefühlt tausend Schichten an Kleidern, die mich umhüllen. Und das Schlimmste daran ist: Mir ist trotzdem meistens kalt. Einzig im Bett ist mir so richtig wohl, was ja tatsächlich für einen Winterschlaf sprechen würde. Aber auch sonst macht mir der Januar Sorgen. Früher war‘s der Schmalhans, der in diesem Monat regierte. Die Älteren mögen sich erinnern: Das Jahresende ist teuer, meist sind alle Versicherungen fällig, es müssen Weihnachtsgeschenke gekauft und der Kühlschrank zum Bersten gefüllt werden, schliesslich gönnt man sich ja sonst nichts.

Das Erwachen kam dann ja meistens im Januar, wenn infolge des Endjahreseskapismus der Kühlschrank und das Portemonnaie leer waren. Dann dominierten bei den Grosseltern selig einen Monat lang Fotzelschnitten den Speiseplan. Was mich in meiner Kindheit zwar keinesfalls gestört hat, weil ich die besagten Schnitten ja liebte, aber wogegen ich im jungen Erwachsenenalter natürlich rebellieren musste. So ganz unter dem Motto: Wer wird denn etwas so Spiessiges wie Fotzelschnitten essen, wo einem doch mit der allumfassenden Vielfalt der südeuropäischen Küche quasi das lukullische Nirvana zur Verfügung steht? Nur: Nach einem Monat Spaghetti Napoli liefen dann selbst meine Träume aus dem Ruder. Anstatt – ganz altersgemäss – von Mädchen und schnellen Motorrädern zu träumen, erschienen mir im Schlaf plötzlich Fotzelschnitten.

Heute ist es ja meistens nicht mehr der Schmalhans, der im Januar regiert, der Verzicht wird einem trotzdem allgegenwärtig heruntergebetet: Mit dem Veganuary verschwindet das Fleisch vom Teller und mit dem Dry January kann man sich nicht einmal mehr die kalten Winterabende schöntrinken.

Dabei braucht’s ja eigentlich gar keinen Verzicht. Schon ein vernünftiger Umgang mit Lebensmitteln wäre ein grosser Gewinn für alle. Wussten Sie, dass alleine in der Schweiz jährlich fast drei Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet werden? Und das zu über einem Drittel in den Privathaushalten? Ich sag ja, vielleicht haben die Fotzelschnitten eben doch Sinn gemacht, denn so viele vierbeinige Esel, die unser altes Brot fressen können, gibt’s gar nicht. Aber immerhin, es besteht Hoffnung. Ich habe in Ettingen einen jungen Koch besucht, der gegen den Foodwaste mit kreativen Kochideen vorgeht. Ich finde das eine gute Sache. Aber lesen Sie selbst, ich wünsche Ihnen eine frohe Woche.

Stefan Fehlmann


Image Title

1/10


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote