GEDANKEN AUS THERWIL
Schwarz

  24.04.2025 Leimental

Letzthin musste ich lesen, dass bei der Deutschen Bahn die «Schwarzfahrer» umgetauft worden sind. Die Bezeichnung für «Personen, die sich einer Beförderungserschleichung» schuldig gemacht haben, soll nicht mehr mit dem Wort «schwarz» in Verbindung gebracht werden. Dieses Adjektiv soll inskünftig nur noch den Menschen mit dunkler Hautfarbe zustehen. Das finde ich schwierig.
Ohne Zweifel muss Rassendiskriminierung vermieden werden, ja verboten sein. Das ist auch bis jetzt – mindestens im offiziellen Sprachgebrauch – schon weitgehend geschehen. Das «N-Wort» ist weg, den «Mohrenkopf» haben wir auch weitgehend abgeschafft, «Schaumkuss» oder an der Basler Herbstmesse «Beggeschmutz» heissen die dunkeln Köstlichkeiten – Hauptsache, niemand wird beleidigt. Aus dem gleichen Grund werden zurzeit auch die überlieferten Hausnamen unserer Altstädte wie «Haus zum Mohren», «Zum Mohrentanz» und «Mohrenkopf» zur Diskussion gestellt.
Auch dass schwarz gefärbte Gesichter auf der Bühne für betroffene Menschen ein Affront sind und dass die Rastalocken nicht schwarzer Leute für ihre ursprünglichen Träger als so genannte «kulturelle Aneignung» empfunden werden, kann ich noch nachvollziehen. (Dabei habe ich den Verdacht, die weisshäutigen «woken» Streiter für solche Anliegen machten sich selber der kulturellen Aneignung schuldig, wenn sie sich für ein Anliegen einsetzen, ohne die angeblich Betroffenen vorher dazu befragt zu haben).
Dass aber das für uns viel breiter besetzte Adjektiv «schwarz» nur noch für entsprechende Hautträgerinnen reserviert sein darf, geht mir nun eindeutig zu weit. «Schwarzfahrer» ist einfach ein gängiger und kurz gefasster Ausdruck, den alle verstehen. Das hat mit der Hautfarbe nichts zu tun, wenn auch in diesem Zusammenhang Bilder mit echt schwarzen Zugfahrenden im Netz kursieren. «Schwärzen» war ja ein Ausdruck, der für Schmuggel, gebraucht wurde, weil die Protagonisten sich die Gesichter schwarz einfärbten, um im Dunkeln nicht aufzufallen. Das tun auch die weisshäutigen Soldaten im Nachtgefecht. Schwarz taucht in diesem Zusammenhang bei «Schwarzgeld» und im Verb «schwarzgehen» auf, das entweder «wildern» oder «unerlaubterweise über die Grenze gehen» heisst. Dazu kämen die Schwarzbrenner, der Schwarzmarkt, die Schwarzschlachtung und meine Heimat, das Schwarzbubenland (die Bewohner dieses Gebiets in Grenznähe sollen Schmuggler gewesen sein), alles Bezeichnungen für Tätigkeiten, die im Verborgenen, Dunkeln, beinahe im Schwarzen geschehen. Ein Zusammenhang mit schwarzen Menschen existiert nicht.
«Schwarz» in seiner direkten, aber auch leicht übertragenen Bedeutung soll doch noch seine Berechtigung haben dürfen, sonst müssten wir ja auch den Schwarzwald, das Schwarzwasser, den Schwarzsee, den Schwarzdorn, die Schwarzwurst, das Schwarzpulver, die Schwarzdrossel und die Schwarzwurzel umbenennen. Geht nicht! – Ich sehe schwarz.

Hansjörg Hänggi, freischaffender
Autor in Therwil, bekannt durch seine Lieder- und Geschichten-Abende.


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