Von der Seele aller Dinge
06.03.2025 EttingenPia Brodmann hat mit einem Buch in Bild und Text das künstlerische Leben ihres verstorbenen Mannes, Albert Gregor Brodmann, gewürdigt. Sie lädt zu einer Buchvernissage in der Kultur-Schmiede «Jetzt Oder Nie» in Flüh ein.
Unter dem Titel «Die Magie des glühenden Eisens» hat Pia Brodmann eine Art Vermächtnis in Bild und Text an ihren im Frühling letzten Jahres verstorbenen Ehemann Albert Gregor Brodmann, dem allerseits bekannten Eisenplastiker «Bärtle», erschaffen. Auf knapp 190 Seiten ist das künstlerische Werk von Albert Brodmann ausführlich dokumentiert. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine chronologische Abhandlung oder gar ein Kunstwerkkatalog, sondern vielmehr um eine sehr persönliche Annäherung an einen Künstler, dessen Gedankenwelt und den tiefschürfenden Glauben an die – man möchte sagen – heilige Natur aller Dinge. «Ich lebe mit meiner Idee, dass Steine, Eisen, Pflanzen, Wasser, Luft und Tiere eine Seele, Geist und Leben haben.» Diese Worte stammen von Ausschnitten eines Vortrags, den der Künstler 1994 gehalten hatte und mit dem Pia Brodmann ihr Buch beginnt. Einmal wollte es ihm, so ist aus dem Vortrag weiter zu erfahren, nicht so recht gelingen, eine Skulptur zufriedenstellend zu formen, doch nach einigen Tagen versuchte er es erneut und eine innere Stimme sagte ihm, er solle mit dem Eisen reden, ihm zuhören: «Von da an wusste ich, dass man mit allem reden muss, es anhören.»
Intensive Recherche
Die Idee, ein Buch über ihren Mann und sein Wirken zu gestalten, ist Pia Brodmann rund drei Monate nach dessen Tod – er verstarb am 12. März 2024 – beim Ausräumen gekommen: «Plötzlich hatte ich einen Bündel Papier in der Hand», erzählt die 79-Jährige. Darauf waren Notizen zu Albert Brodmanns Vortrag aus dem Jahr 1994 zu lesen. «In diesem Moment
war er mir mit seinen Gedanken sehr nah und mir wurde klar, dass ich sein Werk aufzeichnen muss, damit es nicht verloren geht. Wir waren sehr chaotisch und führten keine Dokumentation. Das wollte ich ändern.» Tatsächlich stand anfangs die Idee, schlicht einen Katalog anzufertigen. Pia Brodmann machte Aufrufe: Leute, die Kunstwerke von ihm besassen, sollten sich bei ihr melden. Sie durchstöberte Akten, stiess dabei etwa auf alte Rechnungen. So hat sie den Weg zu vielen seiner Skulpturen und Plastiken wiedergefunden. «Dabei fiel mir auf, dass in seinem Werk bestimmte Themen, wie etwa die Madonna, immer wiederkehren. Das war für mich eine Richtschnur, nach der ich die Kapitel des Buches ordnen konnte.» Ein Kapitel trägt etwa den Titel «Aufsteigen»: «Dieses Thema kam in seinen Werken oft vor. Es war für ihn die Möglichkeit zu zeigen, dass der Mensch sich stets entwickeln kann», schreibt Pia Brodmann dazu. Für die Fotografie der einzelnen Werke wurde sie von Robert Bayer unterstützt, für die Grafik des Buches zeichnete Bea Brodmann verantwortlich.
Ein Stein ist auch ein Tier
Pia Brodmanns Buch dokumentiert etwa die erste Ausstellung, die 1979 im gemeinsamen Haus in Ettingen stattfand. Der Künstler hatte mit seinen Skulpturen und Plastiken Erfolg, weitere Ausstellungen folgten, auch an ungewöhnlichen Orten, wie etwa auf der Landskron.
«Albert sah in allem etwas», erzählt Pia Brodmman. Seine Einsichten in das Wesen aller Dinge kommt im neuen Buch etwa im Kapitel «Steine» zum Vorschein. Familienmitglieder erinnern sich, wie «Albi» auf einen Stein im Bachbett zeigte, ein Grosskind schickte, diesen zu holen. «Hielt er ihn dann in der Hand, zeigte er uns einen Tierkopf und wir staunten. Wie konnte er das auf diese Distanz erkennen?» Gerade seine Arbeiten, die eine Mischung aus Stein und Eisen sind, bestechen durch eine Seele, die aus dem Zusammenspiel der beiden Materialien entsteht.
Lokale Verbundenheit bis zuletzt
«Es gibt keinen Abfall, nur Abgefallenes.» Diese Ansicht habe den Künstler, wie Pia Brodmann schreibt, durchs Leben begleitet und fusst auf einem Erlebnis, das dem noch relativ jungen Albert auf dem elterlichen Bauernhof widerfahren ist: Eine Heugabel geriet in eine Maschine, wurde verbogen und war nicht mehr zu gebrauchen. «Anstatt sie fortzuwerfen, nahm er sie in die Hand, betrachtete sie – und die verbogene Heugabel war sein erstes Kunstwerk. Nie trennte er sich davon», heisst es im Buch. Trotz einer Verbundenheit zur geistigen Welt war Albert Brodmann auch lokal verwurzelt, ein stolzer Ettinger möchte man sagen: 1999 kaufte ihm die Bürgergemeinde Therwil das Kunstwerk «Die Bannsteinschleifer» ab
– die Arbeit fusst auf der Legende, wonach die Therwiler ihren Bann vergrössern wollten und Grenzsteine verschoben. Seine lokale Verbundenheit zeigte sich auch an seinem Wirkungsort, der Kultur-Schmiede «Jetzt Oder Nie» an der Talstrasse in Flüh. Menschen aus dem
ganzen Leimental – und darüber hinaus
– kamen vorbei, weil sie wussten, dass sie bei «Bärtle» ein offenes Ohr fanden. Noch in körperlich geschwächten Zustand war er dort anzutreffen, liess sich über die Schulter blicken, wie er sich mit Leidenschaft seinen Materialien hingab. Bis fast zuletzt sprühten in Flüh die Funken des Künstlers. Er wurde 83 Jahre alt.
Caspar Reimer
Buchvernissage und Ausstellung: «Die Magie des glühenden Eisens»
Samstag, 5. April, 16 Uhr, Kultur-Schmiede «Jetzt Oder Nie», Talstrasse 57, Flüh. Ueli Ackermann, Schauspieler und Kabarettist, erzählt von seinen Begegnungen mit Albert Gregor Brodmann. Musikalisch begleitet wird der Anlass von Petra und John Krebs. Zudem werden einzelne Werke des Künstlers ausgestellt.