«Wir waren eine stattliche Gugge»
27.02.2025 TherwilIn einer mehrteiligen Serie während der Vorfasnacht stellt der BiBo ehemalige Fasnachtscliquen vor: Heute erinnert sich Stefan Gutzwiller an die Therwiler Guggenmusik 99er Notä strupfer.
Zunächst sei es die Musikgesellschaft Concordia gewesen, die Guggenmusik in Therwil gemacht habe, berichtet Stefan Gutzwiller, Jahrgang 1956, aus den Sechziger- und Siebzigerjahren: «Wir hatten am Samstag vor der Fasnacht das Jahreskonzert als Musik gesellschaft; am Fasnachtssonntag und -dienstag waren wir dann bereits als Guggenmusik unterwegs.» Gutzwiller spielte in Therwiler Schissdräckzügli, seit er 14 war. Im Herbst 1983 wurde die Gründung der eigenständigen Guggenmusik 99er Notästrupfer beschlossen; 1984 lief sie zum ersten Mal am Therwiler Umzug mit. Gründungsmitglieder waren wie Gutz willer Mitglieder der Musikgesellschaft und einige zusätzliche Musiker – «aber alle aus Therwil».
«Wir waren eine stattliche Gugge; das muss ich schon sagen», meint Gutzwiller, während er im Gespräch mit dem BiBo alte Fotos auf dem Tisch ausbreitet. Aufgrund ihrer Herkunft aus der Musikgesellschaft sollten die Notästrupfer von Anfang an eine Familiengugge sein, in der Frauen und Männer spielen durften. Die Kinder waren immer dabei. Auch am Fasnachtsfeuer spielten die Notästrupfer. Einmal im Jahr organisierte ein Mitglied eine «Guggenreise» mit Ziel in der Schweiz, die immer mit einer alpinen Wanderung verbunden war.
Name kommt vom früheren Putzgerät
Gutzwiller ist amüsiert, wenn heutige Generationen nicht mehr wissen, was ein Strupfer ist: Der Name der Gugge bezieht sich auf die Bürste mit Stiel, mit der man früher einen nassen Putzlumpen über den Boden führte. Viele Therwiler, die man zumindest damals im Dorf kannte, waren Notästrupfer: Eduard Gutzwiller senior, genannt «Schnauz-Edi», Gregor Gschwind senior und Gutzwillers Vater Walter. Letzter Präsident war Martin Vögtli. Organisatorisch waren die Notästrupfer mit ihrer Vereinsgründung unabhängig von der Musikgesellschaft. Gutzwiller und seine Kollegen aus der Musikgesellschaft konzentrierten sich auf die Guggenmusik. Die Proben fanden bereits ab Oktober wöchentlich am Montag statt, zuerst im Luftschutzkeller im Mühle bodenschulhaus, später in der alten und der neuen Aula. Der Kreis schliesst sich jedoch: Auch die aktuelle Präsidentin der Musikgesellschaft, Käthy Gutzwiller weder verwandt noch verschwägert, spielte ihr Instrument bei den Notästrupfer.
Kartonschachteln als Larven
Ein Stammkostüm gab es nie. Während die Gugge des Musikvereins vor 1984 im Charivari lief, spielten die Notästrupfer in den ersten Jahren ein lokales Sujet aus.
Auf dem Kopf trugen sie Gegenstände aus Kartonschachteln statt der üblichen Larven: 1984 ein Fernseher in Anspielung auf ein damaliges TV-Duell gegen Reinach, 1985 ein Häuschen in Anspielung auf die «Bänkehüser» in der Benkenstrasse, deren Zukunft damals diskutiert wurde, 1986 ein blauer Triebwagen in Erinnerung an die Birsigtalbahn.
1987 gab es die erste echte Larve: ein schwarzer Violinnotenschlüssel, dessen Bauch der Kopf mit Gesicht war. «Wir bliesen Luftballons auf und härteten sie aus», erinnert sich Gutzwiller. Viel nutzen konnten die Notästrupfer diese Larve nicht: «1987 war es so kalt, dass uns die Instrumente einfroren.» Dafür sei es in einem der folgenden Jahre, ausgerechnet als das Sujet ein Schneemann war, so warm gewesen, «dass wir nichts unterm Kostüm anhatten». Die Kostüme wurden anfangs von den Frauen selbst genäht, erst später professionell geschnitten. Dazu gehörten dann auch Kunststofflarven auf einem Bauhelm, wie sie in Basel Standard sind.
Musizieren aus dem Stegreif
Musikalisch orientierten sich die Notästrupfer an dem, was Guggenmusiken ursprünglich ausmachte, bevor sie ab den Neunzigern zunehmend zu Brass Bands wurden: «Wir spielten oft aus dem Stegreif: Einer fing an; die anderen stimmten ein», beschreibt Gutzwiller eine Art, zu musizieren. Gutzwiller übernahm selbst die Ausbildung neuer Musiker an Trompete und Posaune. 2003 kam es zur ersten Abspaltung. Die Notästrupfer seien bis dahin stetig gewachsen, erzählt Gutzwiller. Dann aber sei es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den «Alten» und den «Jungen» gekommen; letztere hätten die 99er Durlips gegründet. Fast gleichzeitig habe sich aber die damalige Gugge Schränzchäfer aufgelöst: Deren Mitglieder, die hätten weitermachen wollen, hätten die Reihen der Notästrupfer wieder aufgefüllt. Die Gugge besuchte aufgrund privater Kontakte auch dreimal den Karneval in der jurassischen Gemeinde Courtételle.
Der Schlag fehlte
2008 wählten die Notästrupfer zum 25-Jahr-Jubiläum Hexen als Sujet. Doch das Jubiläumsjahr sollte nicht gut enden: Die zweite Abspaltung im Frühling führte zur Gründung der Samba-Schnoogge. «Bei so vielen Menschen gibt es halt Meinungsverschiedenheiten», erklärt Gutzwiller die damaligen Gründe lapidar. Über die Zeit danach sagt er: «Man kann auch zu fünfzehnt Guggenmusik spielen. Aber unser grösstes Problem war immer der Schlag, für den uns am Schluss die Leute fehlten.»
Auch Gutzwillers Sohn und Tochter spielten bei den Notästrupfer; der Sohn sei aber bald in die Stadt gegangen. 2016 spielte auch Stefan Gutzwiller die Trompete das letzte Mal. 2017 lösten sich die Notästrupfer auf.
Boris Burkhardt