Zwischen Augenschein und Abstimmung
09.10.2025 OberwilAuch in diesem Jahr beteiligte sich der Natur- und Vogelschutzverein Oberwil am Zugvogeltag.
Die Wegeschreibung steht auf der Homepage: An der Kreuzung Hohestrasse-Friedhofweg rechts auf den Feldweg abbiegen und rund 150 Meter den Berg hinaufgehen. Dann kommt man an den Beobachtungsstand des Natur- und Vogelschutzvereins Oberwil (NVO) anlässlich des jährlichen Zugvogeltags, des sogenannten «EuroBirdwatch».
Der NVO betreibt einen von landesweit rund 60 Ständen, an dem sich Neugierige informieren und das Naturschauspiel durch Ferngläser oder Spektive etwas genauer beobachten können. An diesem Sonntag ist das Wetter allerdings nicht ideal, weder für das Besucheraufkommen noch für die Vögel. «Sie müssen ihre Kräfte einteilen», weiss Roland Steiner. Der NVO-Präsident, der zusammen mit elf anderen Mitgliedern vor Ort ist, war bereits 1994 dabei, als der Verein erstmals am «EuroBirdwatch» teilnahm. Entsprechend weiss er, dass 2025 mit 371 gezählten Vögeln ein eher mässiges Jahr ist. «2010 hatten wir allein 12‘000 Ringeltauben», berichtet er.
Verbundenheit zur Natur
Auch das Besucheraufkommen ist mit 21 Personen, die zwischen 9 und 16 Uhr vorbeischauen, eher spärlich. «Wer stehen bleibt und mit uns ins Gespräch kommt, wird gezählt», erklärt Steiner. Weil es immer wieder regnet, ist die Zahl der vorbeikommenden Spaziergänger wohl um einiges tiefer als an einem sonnigen Sonntag. Dennoch wird den NVO-Leuten nie langweilig, denn es sind nicht nur die Vögel, die sie auf Trab halten. Die Gespräche mit den Leuten gehen nämlich weit über Smalltalk hinaus. Die Verbundenheit zur Natur ist der gemeinsame Nenner, sodass es viel zu diskutieren sind.
Als der BiBo-Reporter vorbeischaut, sind auch Monika Schwaller und Andi Hodel da. Das Ehepaar aus Arlesheim hat den Stand zufällig entdeckt und bleibt fast eine Stunde. Man unterhält sich über Luchse, das Aussterben von Insekten als Vogelnahrung und den mangelnden Schutz der Natur durch die Politik. «Ich bin wirklich froh, dass wir hier waren», sagt Schwaller, als sie sich verabschiedet.
Viele Vögel werden von den Experten in Sekundenbruchteilen bestimmt, oftmals reicht der reine Augenschein. «Manchmal ist man sich aber auch uneinig und die Sache wird zur Abstimmung», schmunzelt Roland Steiner. Deshalb gilt: Je mehr Augenpaare den Vogel sehen, umso besser für die Zuordnung der Art. Von den 32 gesichteten Vogelarten entfallen die meisten auf Braun- (153) und Grünfinken (52). Am anderen Ende der Skala ist der Feldsperling, der in Oberwil das allererste Mal gesichtet wurde. «Leider war ich der Einzige, der ihn gesehen hat», bedauert der Präsident, der auch ohne die Bestätigung seiner Kollegen den Vogel in die Liste einträgt. «Manchmal muss man sich auf sein Gefühl verlassen», hält Steiner fest und fügt hinzu: «Ich weiss nicht, was es sonst gewesen sein könnte …»
Linsen sind entscheidend
Damit die Vogelbeobachter nicht ins Blaue raten müssen, sind sie entsprechend ausgestattet. Ein Feldstecher vergrössert das Gesehene um das Acht- bis Zehnfache, ein gutes Spektiv sogar um den Faktor 80. «Das Wichtigste sind die Linsen», weiss Roelof Kistemaker vom NVO. «Mit einer gut geschliffenen Linse sieht man auch in der Dämmerung die Farben des Gefieders eines Vogels ganz genau, was für die Bestimmung entscheidend ist.» Entsprechend teuer ist das Equipment. 6000 Franken hat das Spektiv, mit dem Kistemaker im Einsatz ist, gekostet. «Es hat eine Vorrichtung, um das Smartphone zu befestigen und die Vögel zu filmen. Ausserdem hält es ein Leben lang», nennt der Experte die Vorteile.
Um 16 Uhr übermittelt der Präsident die NVO-Beobachtungen an BirdLife Schweiz, das sämtliche Daten auswerten und im Rahmen einer Pressemitteilung der Öffentlichkeit lassen wird. Die Leute vom NVO räumen den Stand ab und machen sich auf dem Heimweg. «Wir treffen uns etwa einmal im Monat, meistens zu einer Exkursion. In Kontakt sind wir aber häufiger», erzählt der Präsident vom Vereinsleben. Im nächsten Jahr feiert der NVO sein 50-jähriges Bestehen. «Wir sind noch kein bisschen müde», lacht Roland Steiner und verrät, dass man zum Jubiläum etwas Spezielles machen möchte. «Wir überlegen noch, was das sein könnte.»
Alan Heckel